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Live Blog: Winter Tokyo & Bōsō-Halbinsel 2023 / 2024 #1

Seit einer Woche bin ich wieder in Japan – meiner zweiten Heimat, könnte man sagen, so oft wie ich jedes Jahr hier bin. Ich fühle mich hier immer sehr wohl, fernab von der, wie ich finde, Ellbogenmentalität in Deutschland.

Diesmal starten meine Frau und ich ganz entspannt in unser Abenteuer. Zuerst verbringen wir ein paar Tage in Tokyo, um uns zu akklimatisieren, dann geht es für drei Wochen auf die Bōsō-Halbinsel, mitten in die Natur. Eine ganz neue Gegend für uns!

Die letzte Etappe führt uns dann nach Hokkaido, ins winterliche Naturparadies, wo Kraniche, Hirsche, Flughörnchen, Seeadler und viele andere Tiere auf uns warten.

Die Anreise aus Nürnberg verlief eigentlich reibungslos, abgesehen von einer kleinen Verzögerung in Frankfurt am Main. Mein Flug hatte sich um zwei Stunden verspätet, weil das Flugzeug zu schwer beladen war. Wie sich herausstellte, war ausgerechnet mein Gepäck unter den Sachen, die entfernt wurden. Aber kein Grund zur Sorge, mein Gepäck wurde mir am nächsten Tag ins Hotel nachgeliefert. Alles lief wie am Schnürchen. Zum Glück hatte ich meine Kameraausrüstung sicher im Handgepäck verstaut – man kann ja nie wissen.


In Tokyo haben wir erst mal nichts Großes geplant. Ich will den Jetlag abschütteln und in Ruhe ankommen. Da ich die letzten vier Tage in Deutschland bereits nach japanischer Zeit gelebt hatte, war die Zeitumstellung für mich kein großes Problem. Der Jetlag kann einen sonst ganz schön aus der Bahn werfen, vor allem, wenn man Richtung Osten reist. Und tatsächlich: Wenn ich aus Japan zurück nach Europa komme, ist der Jetlag bei Weitem nicht so stark. Japan liegt im Winter 8 Stunden und im Sommer 7 Stunden voraus.


Unser Hotel in Tokyo liegt direkt am Ueno-Park, eine bewusste Wahl von uns. Dort hat man alles, was man benötigt: den Ueno-Park mit seinem See, Museen und eine Vielzahl an kulinarischen Angeboten.


Kormoran-Kolonie Ueno Park Tokio

Was hier so gelb, herbstlich ausschaut, sind vertrocknete Lotusblätter, die im Winter herausstechen aus dem Shinobazu no Ike Pond (See im Ueno-Park). Im Frühjahr und Sommer ist es wirklich eine tolle Ansicht von großen Lotusblättern und deren Blühten.

Bei unseren Spaziergängen um den Shinobazu-no-Ike-Pond, einen malerischen kleinen See im Ueno-Park, fiel uns eine beeindruckende Kormoran-Kolonie auf. Interessanterweise war diese Kolonie Teil des Ueno-Zoo-Bentenmon und hinter einem Zaun. Bei meinen späteren Recherchen erfuhr ich, dass diese Kolonie der Japankormorane als Teil eines Erhaltungsprojekts in den Zoo integriert wurde. Diese Tiere sind wild und nicht eingesperrt.

Früher waren solche Kolonien in Japan, besonders in Tokio, keine Seltenheit. Aber durch Umweltveränderungen, verursacht von uns Menschen, gingen die Zahlen der Kormorane und deren Kolonien drastisch zurück. In den 1970er-Jahren erreichte ihre Population einen traurigen Tiefpunkt, was ihnen einen Eintrag auf der Roten-Liste einbrachte. 1978 gab es in ganz Japan nur noch fünf solcher Kolonien.

Die Japankormoran-Kolonie am Shinobazuno-Pond im Ueno-Park Tokio wurde als Schutzmaßnahme in den Zoo integriert. So konnten im Bereich Tokio eine Erholung der Population gefördert werden. Dank solcher und zusätzlicher Maßnahmen im ganzen Land stieg die Zahl der Kormoran-Kolonien in Japan bis 1998 wieder auf 47 an.

Nest in der Kormoran-Kolonie im Ueno-Park Tokio

Diese Kolonie faszinierte mich sehr, denn in Deutschland, wo ich normalerweise fotografiere, sind Kormorane sehr scheu. Es ist nicht einfach, sie nahe vor die Kamera zu bekommen. Zudem handelte es sich hier um den japanischen Kormoran (Phalacrocorax capillatus), den ich bis dato nicht so ablichten konnte.

Ich entschied mich, diese Gelegenheit zu nutzen und den Japankormoran aus nächster Nähe im Flug zu fotografieren. An zwei verschiedenen Tagen gelangen mir mit zwei unterschiedlichen Equipment-Setups einige Aufnahmen.

Beim ersten Einsatz, kurz vor Sonnenuntergang, verwendete ich die Sony a6700 mit dem Sony 100–400 mm F4.5/5.6 Objektiv. Am zweiten Tag, als die Sonne schon sehr hoch stand, setzte ich auf die Sony A1 mit einem Sony 400 mm F2.8 Objektiv. Beide Tage stellten durch die Ausrüstung und Lichtbedingungen eine Herausforderung dar. Mit der Sony a6700 hatte ich am Ende zu wenig Licht, und der Autofokus reagierte nicht immer wie gewünscht. Viele Aufnahmen misslangen wegen des langsamen und manchmal unzuverlässigen Autofokus. Am zweiten Tag war das harsche Licht eine besondere Herausforderung, besonders bei der Fotografie eines schwarzen Vogels.

Die weißen Federn am Kopf der Kormorane sind übrigens kein Zeichen eines Artunterschieds. Kormorane entwickeln diese Federn während der Brutzeit. In dieser Zeit haben sie weiße Federn an Kopf, Hals und Leiste. Interessanterweise liegt ihre Brutzeit auch im Winter und nicht, wie bei den meisten Vögeln, nur im Frühjahr.

Untere zwei Aufnahmen entstanden mit der Sony a6700 + 100 - 400 mm F4.5 / 5.6

Untere zwei Aufnahmen entstanden mit der Sony A1 + 400 mm F2.8

Ueno Park Tokio Urbane Tierbegegnungen

Reiherenten Weibchen

Täglich, nach dem Frühstück, machten meine Frau und ich einen Spaziergang um den Shinobazu-no-Ike-Pond, den See im Ueno-Park. Dabei hatte ich immer mein kleines Kamera-Set-up dabei: die Sony a6700 mit dem Sony 100-400 mm F4.5/5.6 Objektiv – eine optimale Kombination, um mobil zu sein.

Bei unseren Spaziergängen hatten wir ein paar nette Begegnungen, unter anderem mit einer weiblichen Reiherente, einer für mich neuen Art der Spießente (Anas acuta) und zu unserer großen Überraschung auch mit einem Seidenreiher.

In Tokio hatte ich in den vergangenen Jahren schon so viele tolle Momente und Überraschungen mit urbanen Wildtieren erlebt, dass man hier allein schon mindestens zwei Wochen mit Fototouren verbringen könnte. Eigentlich hatte ich dieses Mal in der ersten Woche meines Aufenthaltes keine großen Wildtierfotografien geplant. Aber ich kann einfach nicht widerstehen, wenn sich solche Gelegenheiten bieten. ;-)

Hier sind einige Fotos von diesem Tag:


19.12.2023 - Bōsō-Halbinsel

Seit gestern sind wir auf der Bōsō-Halbinsel, die man quasi als das Gegenüber von Tokio betrachten könnte. Die Fahrt dauerte mit dem Auto gute zwei Stunden. Eine Strecke von etwa 100 km, die man in Deutschland in einer guten Stunde schaffen würde. In Japan liegt die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen bei 80 km/h, sofern nicht anders ausgeschildert. Auf Landstraßen sind es maximal 60 km/h, wobei die Geschwindigkeit meist zwischen 40 und 50 km/h liegt. Damit du eine Vorstellung hast, wie es sich hier auf den Straßen verhält. Da wären 130 km/h auf deutschen Autobahnen ja noch ein Segen. ;-)

Auf der Bōsō-Halbinsel, liegt die Präfektur Chiba, die auf der japanischen Hauptinsel Honshū zu finden ist. Die Halbinsel bildet die östliche Begrenzung der Bucht von Tokio und trennt diese vom Pazifik. Hier entsteht eine einzigartige Mischung aus sanften Hügeln und dichten Wäldern. Die Halbinsel begeistert durch ihre landschaftliche Vielfalt. Du findest hier kleine Fischerdörfer, die sich an die Küstenlinie schmiegen, weitläufige Reisfelder und dichte Wälder, die zum Erkunden einladen. Ein Paradies für Naturliebhaber und Fotografen.

Anfang vom Kujūkuri Beach (九十九里浜, Kujūkuri-hama)

Heute lassen wir es erst einmal ruhig angehen und erkunden die Gegend, vor allem den Strand. Der Strand heißt Kujūkuri Beach (九十九里浜, Kujūkuri-hama), ein Sandstrand, der einen Großteil der Nordostküste der Bōsō-Halbinsel einnimmt. Er ist etwa 60 Kilometer lang und damit der zweitlängste Strand Japans.

Der Name „Kujūkurihama“ bedeutet wörtlich „neunundneunzig ri sandiger Strand“. Es wird angenommen, dass der Shogun Minamoto no Yoritomo die Messung des Strandes in Auftrag gab. Dazu wurden 99 Pfeile im Sand gesteckt – jeweils einen pro ri. Die Einheit „ri“ betrug damals 6 chō (ca. 660 m), wurde aber später auf 36 chō (ca. 3,9 km) ausgedehnt. Die kurze ri von 6 chō ist längst in Vergessenheit geraten, daher glauben viele heute fälschlicherweise, dass die Zahl 99 nur eine Anspielung auf seine lange Strecke ist. Die tatsächliche Länge des Strandes beträgt etwa 66 km, was die ursprüngliche Messung von Minamoto no Yoritomo zu einer erstaunlich genauen macht.

Bei unserem ersten Ausflug zu dem Strand hatten wir einen schönen Strandspaziergang mit rauem Wind, hohen Wellen und ein paar Vogel Begegnungen alter Bekannter. An Equipment hatte ich dieses Mal die Sony a6700 + 200 - 600 mm f5.6/6.3.

Die Blaumerle Männchen (blau / orange) und Weibchen (braun / weiß gefleckt) Bild 2 und 3. Den Raben brauche ich, denke ich, nicht vorzustellen.

Der Anfang meiner Reise steht dieses Jahr wohl unter dem Stern des Kormorans


20.12.2023 - Bōsō-Halbinsel Location Scouting Tag zwei

Heute steuerte ich einen neuen Abschnitt des Kujūkuri Beach an, um mir weiterhin einen Überblick zu verschaffen. Ich begann dort, wo meine gestrige Tour geendet hatte. Der Tag war sonnig, mit vereinzelten Wolken am Himmel. Auf den ersten Blick konnte ich außer den Kormoranen und Seemöwen auf den etwa 500 Meter vom Strand entfernten Wellenbrechern nicht viel erkennen. Sie waren jedoch zu weit entfernt für ein anständiges Foto.

Meine Erkundungstour führte mich weiter entlang des Strandes. Allmählich konnte ich immer mehr Wasservögel auf dem Meer ausmachen. Im Vergleich zu gestern waren es Hunderte, die sich auf der stark welligen Meeresoberfläche bewegten.

In der Nähe der bewachsenen Dünen beobachtete ich einen Vogel, der auf der Spitze eines Halms Ausschau hielt. Er erinnerte mich an einen Neuntöter. Beim Näherkommen und auf dem ersten Foto konnte ich die Art zwar nicht ausmachen, erkannte aber, dass es sich um einen Würger handeln musste. Zu Hause konnte ich die Art dann als Büffelkopfwürger oder auch Japanischer Würger (Lanius bucephalus), klassifizieren.

Büffelkopfwürger oder auch Japanischer Würger - Sony a6700 + 200 - 600 mm F5.6/6.3

Während ich mich auf den Büffelkopfwürger konzentrierte, bemerkte ich durch die Kamera im Hintergrund einen größeren Vogel, der auf mich zuflog. Zunächst dachte ich, es sei eine Möwe, doch dann erkannte ich einen Fischadler mit Beute. Beim Versuch, ein Foto zu machen, hatte ich leider mit der Sony a6700 zu kämpfen. Bezüglich Fokusgeschwindigkeit und Präzision lässt mich die Kamera oft im Stich. Für meine nächsten Touren werde ich zur Sony A1 greifen, da mir in den vergangenen Tagen einige gute Gelegenheiten wegen des AF der a6700 entgangen sind.

Fischadler - Sony a6700 + 200 - 600 mm F5.6/6.3

Um meinen heutigen Tag abzurunden:

Neben einem Eisvogel konnte ich auch Silberreiher, Seidenreiher, Blaumerlen, Bachstelzen, Haubentaucher, Pfeifenten, Spießenten, Pazifiktrauerenten, Fasane, Schwarzmilan und den Sanderling beobachten und fotografieren. Ein wirklich ereignisreicher Tag!
Aus all diesen Sichtungen werde ich mir am Wochenende ein erstes Projekt aussuchen, um eine der Spezies in einem schönen Licht und Umfeld versuchen zu fotografieren und filmen.

Morgen setze ich meine Erkundungstour fort. Bei meiner heutigen Wanderung stieß ich auf eine Flussmündung am Meer. Einige Meter flussaufwärts konnte ich Hunderte Entenvögel sichten, darunter auch Bergenten. Das werde ich mir morgen genauer anschauen. Der morgige Tag soll sehr stürmisch werden – mal sehen, was er bringt. :-)


21.12.2023 - Bōsō-Halbinsel, Location Scouting, Tag drei

Starker Wind und ein wackelnder Boden – das beschreibt den heutigen Tag ziemlich gut.

Unser heutiger Ausflug war kurz, denn der Wind, der schon seit der Nacht blies, wirbelte alles durch die Luft, was nicht niet- und nagelfest war – vor allem den Sand. Wir versuchten trotzdem unser Glück, aber nach einer Stunde gaben wir auf. Selbst die Tierwelt hielt sich zurück, was bei diesem starken Wind kein Wunder war. Trotzdem, der Tag war sonnig und schön, und ich konnte tatsächlich eine Aufnahme machen, die mir persönlich sehr gut gefällt. Es ist das erste Foto, das über ein bloßes Dokumentationsfoto hinausgeht, anders als die, die ich normalerweise von den letzten Erkundungstouren gepostet habe.

Eine Blaumerle hatte sich einen kleinen Krebs geschnappt und saß nur 4 bis 5 Meter von mir entfernt. Ich fotografierte sie mit meiner Sony A1 + TC 1.4 + 200–600 mm F5.6/6.3.

Balumerle mit gefangenem Krebs - Sony A1 + TC 1.4 + 200–600 mm F5.6/6.3.

Zurück in unserer Unterkunft wartete bereits das nächste Erlebnis auf mich: ein Erdbeben. In den vergangenen Jahren hatte ich in Tokio hin und wieder ein leichtes Wackeln gespürt, aber nichts Beunruhigendes. Diesmal war es stärker, das Haus wackelte für gut 5 Sekunden, und das wiederholte sich in der Nacht noch dreimal. Nach ein wenig Recherche fand ich heraus, dass das Epizentrum etwa 66 km vor der Küste im Pazifik lag und eine Stärke von 4,8 auf der Richterskala erreichte. Es fühlte sich an, als säße ich auf einer riesigen Rüttelplatte. Ein wirklich interessantes Erlebnis, das mir wieder bewusst machte, wie machtlos wir gegenüber den Naturgewalten sind.

Meine weiteren Updates werde ich auf einer neuen Artikelseite veröffentlichen, da diese hier schon ziemlich lange geworden ist. Am Wochenende, während Deutschland Weihnachten feiert, werde ich die Tage mit der Kamera in der Natur genießen. Das könnt ihr dann in dieser Rubrik meiner Webseite, mitverfolgen, wenn ihr mögt.

Frohe Weihnachten.


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