Faszinierende Begegnung mit der Kreuzotter (Vipera berus)
Einblicke in die Welt einer seltenen Schlange in Deutschland
Wenn der Wecker klingelt und bevor die ersten Sonnenstrahlen des Tages durch die Fenster dringen, beginnt meist ein neues Abenteuer für uns Naturfotografen. Ein solcher Morgen ist für mich immer voller Vorfreude und Erwartung, besonders wenn das Ziel ein seltenes und faszinierendes Tier wie die Kreuzotter ist.
Frühmorgendliche Vorbereitung und Reise
Meine Tour beginnt früh, noch bevor die Stadt, in der ich wohne, zum Leben erwacht. Mit meinem Fotorucksack voller Ausrüstung und einem bestimmten Ziel vor Augen verlasse ich an diesem Morgen meine Wohnung und fahre hinaus in die Natur der Oberpfalz. Die Vorfreude auf meine Begegnung mit der Kreuzotter treibt mich an.
Unvergessliches Erlebnis vor Ort
Angekommen an meinem Zielort, bereite ich mich vor. Mit einer regenfesten Jacke in Camouflage, hohen Wanderstiefeln und meiner Kameraausrüstung ausgestattet, mache ich mich auf, zur Kreuzotter. Seit Jahren besuche ich diesen Ort, an dem sie sich regelmäßig sonnt.
Meine Frau und ich gaben der weiblichen Kreuzotter den Namen Otti. Vor einigen Jahren entdeckten wir dieses faszinierende Reptil und seitdem schauen wir im Frühjahr immer mal nach ihr, wenn wir in der Gegend sind. Kreuzottern haben Reviere, die zwischen 1 und 2 Hektar groß sind, sodass die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass man sie jedes Jahr an den gleichen Orten beobachten kann, denn meist haben sie ihre festen Sonnenplätze.
Dieses Mal ist mein Ziel, einige andere Bildserien zu erstellen als die einzelnen Fotos in den vergangenen Jahren.
Faszination Schlangen in Deutschen
Es ist faszinierend zu sehen, wie sie sich langsam aus ihrem Versteck schlängelt und sich in der Sonne wärmt. Ihre normalerweise Kupfer glänzenden Augen leuchten milchig matt, mit einem blauen Schimmer, was darauf hindeutet, dass sie sich kurz vor der Häutung befindet. Nach der Winterstarre häuten sich die Kreuzottern, um danach in die Paarungsphase überzugehen. Die milchigen, blau schimmernden Augen entstehen, weil bei Schlangen die oberen und unteren Augenlider zu einer durchsichtigen Membran zusammengewachsen sind. Diese sind als „Brille“ bekannt. Im Verlauf der Häutung löst sich die äußere Schicht der verhornten Haut ab, einschließlich dieser auf der schützenden Augenmembran. Das führt dazu, dass die Augen einer Kreuzotter, die sich auf die Häutung vorbereitet, milchig und trüb erscheinen, was ihre Sehfähigkeit erheblich einschränkt. Während dieser Phase ist die Sicht der Schlange stark beeinträchtigt.
Fotografie-Details und Tierwissen bei meinen Kreuzotter-Aufnahmen
Um die Kreuzotter in ihrer natürlichen Umgebung einzufangen, habe ich die Kamera im Serienbildmodus, Single-Fokus-Punkt (SPOT-S), um durch die aufstehenden Grashalme fokussieren zu können, und die Blende ist offen, um genug Licht zu erhalten. Die Kreuzotter (Vipera berus) ist üblicherweise ein sehr ruhiges und mit Bedacht bewegendes Tier, vor allem, wenn sie ihre Körpertemperatur noch nicht erreicht hat. Denn Kreuzottern, wie andere Reptilien auch, sind wechselwarm, was bedeutet, dass ihre Körpertemperatur von der Umgebungstemperatur abhängt. Die optimale Körpertemperatur einer Kreuzotter, bei der sie am aktivsten ist und ihre Körperfunktionen am effizientesten arbeiten, liegt in der Regel zwischen 25 °C und 30 °C. Diese Temperatur ermöglicht ihr, effektiv zu jagen, sich zu bewegen und zu verdauen.
Das bedeutet für uns Fotografen, eine längere Verschlusszeit ist möglich, um genug Licht auf den Sensor zu bekommen und niedrige ISO-Werte zu nutzen, was weniger Rauschen auf die Bilder bringt. Sollte die Lichtsituation nicht ausreichend genug sein, ist das ein Vorteil für uns Naturfotografen.
Mit meinem Teleobjektiv am Boden liegend, halte ich die Kamera ruhig, während ich ihre drachenartigen Schuppen und ihren eleganten Körper fotografiere. Mit dem Sony 100–400 mm f4.5/5.6 Teleobjektiv kann ich eine Nähe zu der Kreuzotter ermöglichen, ohne diese zu stören, und dabei Details festhalten, die sonst dem menschlichen Auge meist verborgen blieben.
Getarnt auf braunem Kleingestrüpp liegend, ist die kupferbraune Schlange kaum zu sehen. Breit spreizt sie ihre Rippen, um ihren Körper besser zu erwärmen und züngelt vor sich hin. Schlangen züngeln, um ihre Umgebung zu erkunden und chemische Signale wahrzunehmen. Ihre gespaltene Zunge nimmt Partikel aus der Luft auf und leitet sie an das Jacobson'sche Organ weiter, wo sie analysiert werden. Dies hilft ihnen, Gerüche zu identifizieren, die Richtung von Geruchsquellen zu bestimmen und Informationen über Beute, Artgenossen oder Gefahren zu erhalten.
Nachdem die Sonne intensiv auf sie geschienen hatte, kriecht sie erst unter die Blätter einer nahestehenden Pflanze. Nach einiger Zeit schlängelt sie sich dann langsam zurück in ihr Versteck unter einem Steinhaufen. Dieser gibt ihr Schatten, und die Steine geben ihr aber auch weiterhin Wärme, die sie über die letzten Stunden gespeichert haben.
Bildentwicklung und beeindruckende Ergebnisse
Nachdem ich „Otti“ (unser Kosename für die Kreuzotter) ausgiebig über einen längeren Zeitraum fotografiert hatte, kannst du dir hier einige finalen Bilder anschauen, die die Kreuzotter in ihrer ganzen Pracht zeigen. Sie zeigen die Kreuzotter während und nach der Häutung.
Faszinierende Details: Nahaufnahmen der Kreuzotterhaut
Die erste Bildserie zeigt Nahaufnahmen der Schlangenhaut mit einem detaillierten Blick auf die Schuppen des Reptils. Da die Kreuzotter mit ihren maximal ca. 70 cm nicht allzu groß ist, hat mich der detaillierte Blick auf die Schuppenhaut sehr neugierig gemacht. Dies hat mich dazu veranlasst, diese Art von Makroaufnahmen der Kreuzotterhaut zu machen.
Vor und nach der Häutung
Diese Bildserie zeigt den Unterschied der Kreuzotter vor und nach der Häutung. Der Blick fällt hier auf die Veränderung der Augen im Detail. Die Aufnahmen wurden mit der Sony a6700 und der Sony A1, sowie mit dem Sony 100 - 400 mm f4.5/5.6 GM, dem Sony 400 mm f2.8 GM und dem Tamron 28 - 75 mm f2.8 gemacht. Folgende Liste zeigt, welches Bild mit welchem Set-up und Einstellungen aufgenommen wurde.
Sony a6700 + 1.4xTC + FE 100 - 400 mm f4.5/5.6 - 560 mm f8 - ISO 320 - 1/1000
Sony A1 + 1.4xTC + FE 100 - 400 mm f4.5/5.6 - 560 mm f9 - ISO 5000 - 1/1600
Sony a6700 + 1.4xTC + FE 100 - 400 mm f4.5/5.6 - 560 mm f8 - ISO 320 - 1/1000
Sony A1 + 400 mm f2.8 - 400 mm - f5.6 - 1/1250 - ISO 1000
Sony A1+ FE 100 - 400 mm f4.5/5.6 - f7.1 - ISO 250 - 1/400
Sony A1 + 400 mm f2.8 - 400 mm - f5.6 - 1/1250 - ISO 1000
Kreuzotter Otti in gute Nachbarschaft
Die nächste Bildserie entstand nicht einmal 10 Meter vom Sonnenplatz unserer Kreuzotter Otti entfernt. Eine junge weibliche Kreuzotter liegt im Schutz des hohen grünen Grases und wärmt sich. Diese beobachten wir auch schon die letzten zwei Jahre. Sie ist etwas scheuer und bleibt mehr im Schutz der Pflanzen, was auch gut so ist. In der Gegend gibt es allerlei Fressfeinde, gerade aus der Luft, wie Graureiher, Bussard oder Rohrweihen.
Die Aufnahmen entstanden mit der Sony A1 und der Sony a 7 R IV, so wie dem Sony 100 - 400 mm GM und dem Sony 200 - 600 mm G.
Abschließende Gedanken
Die Begegnungen mit der Kreuzotter sind für mich immer wieder ein tolles Erlebnis. Es zeigt mir jedes Mal aufs Neue, wie wichtig es ist, die Natur zu schützen und zu respektieren. Als Fotografen haben wir die Möglichkeit, die Schönheit der Natur visuell festzuhalten und zu teilen. Aber als Menschen sind wir alle dafür verantwortlich, dass dieses hoffentlich auch weiterhin möglich ist und sich in der Zukunft zusätzlich verbessert.
Gefahren und Feinde der Kreuzotter: ein Überblick
Zum Schluss möchte ich noch ein paar kurze Insights über die Kreuzotter geben.
Die natürlichen Feinde der Kreuzottern sind vorwiegend Wildschweine, Marder und Füchse. Auch Mäusebussarde und Graureiher erbeuten regelmäßig Kreuzottern. An Waldrändern und Hecken werden Igel den Jungtieren zur Gefahr. Der Mensch ist aber die größte Gefahr für die Schlangen: Neben dem Lebensraumverlust, den wir zu verantworten haben, werden nach wie vor viele Kreuzottern aus unbegründeter Furcht erschlagen oder fallen dem Verkehr zum Opfer.
Junge Kreuzottern fressen fast ausschließlich kleine Gras- und Moorfrösche oder Eidechsen. Da diese immer seltener werden, wird auch die Nahrung der jungen Kreuzottern immer knapper.
Aufklärung statt Angst: Mythen über die Kreuzotter
Viele Mythen umgeben die Kreuzotter, beispielsweise, dass sie aggressiv ist. Auch wenn diese Tiere unter Schutz stehen, werden sie immer noch mutwillig getötet. In Wahrheit greift sie Menschen nur an, wenn sie sich verteidigen muss, also wenn sie angefasst, getreten werden oder keinen Ausweg mehr haben, zu fliehen. Wichtig ist, sie in ihrem Lebensraum zu respektieren.
Ihr Gift ist stark, aber ein Biss ist für gesunde Menschen normalerweise nicht lebensbedrohlich. Obwohl es sich bei dem Serum der Kreuzotter um ein sehr wirkungsvolles Gift handelt, besteht für einen gesunden Menschen keine Lebensgefahr, denn die bei einem Biss abgegebene Menge ist nur sehr gering.
Ihr Gift benötigen Kreuzottern für die Jagd auf Beutetiere – daher gehen sie eher sparsam damit um. Es besteht aus Enzymen und Polypeptiden und wirkt auf das Herz-Kreislaufsystem der Beute oder Feinde. Kreuzottern können auch beißen, ohne dabei Gift zu injizieren.
Schlangenbisse sind zu vermeiden: Generell sollten Wanderer, Spaziergänger oder Pilzsammler festes hohes Schuhwerk und lange Hosen tragen. Wer durch die typischen Lebensräume der Kreuzottern läuft – also durch Wälder, Wiesen und Moore – sollte stets darauf achten, wo er hintritt. Wer eine Kreuzotter entdeckt, sollte sie nur aus sicherer Entfernung beobachten und nicht stören.
Mittlerweile sind Kreuzottern nur noch verstreut in kleinen Populationen zu finden. Diese sind anfälliger, beispielsweise in zu kalten Sommern. In einem isolierten Lebensraum fehlen zudem Ausweichquartiere und es besteht die Gefahr der Inzucht. Inzwischen wird die Kreuzotter in allen deutschen Bundesländern auf der Roten Liste geführt und gilt als stark gefährdet.
Dramatischer Rückgang der Kreuzottern-Population
Zwischen 1984 und 2008 wurde die Anzahl der Kreuzottern (Vipera berus) auf einer gut drei Quadratkilometer großen Probefläche im Fichtelgebirge regelmäßig erfasst. Die Daten zeigen einen tragischen Abwärtstrend der Population, der auf verschiedene ökologische und menschliche Faktoren zurückzuführen sein könnte. Ein Blick auf die Population im Fichtelgebirge zeigt einen dramatischen Rückgang von 48 Kreuzottern im Jahr 1984 auf nur noch 8 im Jahr 2008. Dieser Rückgang zeigt die dringende Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen, um diese faszinierende Art zu bewahren.
Die Analyse der Daten zur Kreuzottern-Population im Fichtelgebirge zeigt einen deutlichen Rückgang über die Jahre von 1984 bis 2008. Hier eine detaillierte Darstellung basierend auf den Daten vom Bayerisches Landesamt für Umwelt Stand: November 2011 & Aktualisierung: Februar 2023.
Kreuzottern-Population im Fichtelgebirge (1984–2008)
1984:
Population: 48 Kreuzottern
Bedeutung: Gesunde Population zu Beginn der Beobachtungsperiode
1985 bis 1987:
Durchschnittliche Population: ca. 46–48 Kreuzottern
Bedeutung: Relativ stabile Population
1988 bis 1991:
Durchschnittliche Population: ca. 44–46 Kreuzottern
Bedeutung: Leichter Rückgang erkennbar, Zahlen bleiben verhältnismäßig hoch
1992 bis 1995:
Durchschnittliche Population: ca. 36–38 Kreuzottern
Bedeutung: Weiterer Rückgang, Trend verschärft sich
1996 bis 1999:
Durchschnittliche Population: ca. 28–30 Kreuzottern
Bedeutung: Erheblicher Rückgang, zunehmende ökologische oder menschliche Einflüsse
2000 bis 2003:
Durchschnittliche Population: ca. 18–20 Kreuzottern
Bedeutung: Population halbiert sich fast im Vergleich zum vorherigen Zeitraum
2004 bis 2007:
Durchschnittliche Population: ca. 8–10 Kreuzottern
Bedeutung: Weitere starke Rückgänge, Population in kritischer Phase
2008:
Population: 8 Kreuzottern
Bedeutung: Tiefstand der Population im letzten erfassten Jahr
Notwendige Schutzmaßnahmen
Der markante Rückgang der Kreuzottern zeigt die dringende Notwendigkeit für gezielte Naturschutzmaßnahmen und Bewusstseinsbildung. Nur so kann sichergestellt werden, dass diese faszinierenden Geschöpfe auch weiterhin in unseren Wäldern und Wiesen leben können. Schutzmaßnahmen alleine sind aber nicht ausreichend; wir müssen lernen, wieder besser mit der Natur umzugehen. Aufklärung über die Kreuzotter und dass sie nicht das aggressive, böse Reptil ist, das nichts anderes zu tun hat, als ein Säugetier (der Mensch), das um ein Vielfaches größer ist, beißen zu wollen, ist unerlässlich.
Viel Spaß beim Beobachten, lernen und das Wissen zur Aufklärung zu nutzen!